Alte Musik in Wasserburg am 29.10.2011

 

 

Konzertkritik in der Wasserburger Zeitung (ovb) von 8.11.2011:

Lauschen und Empfinden

Musikwissenschaftliche Exkurse zur Musik der Vergangenheit oder auch daran orientierte Aufführungen sind bisweilen trockene Materie. Doch hierzulande, im Umfeld von Edling, haben die "Concenti musicali" unter ihrem Leiter Peter Adler dafür gesorgt, dass das Ergebnis wissenschaftlicher Bemühung nicht nur akustisch "ankommt", sondern auch Begeisterung hervorrufen kann. Peter Adler ist Rechercheur, Unternehmer - auch und insbesondere in Sachen Musik -, Interpret, ja auch Herausgeber gedruckten Musikmaterials in einem, und bei solcher Symbiose verschiedener Disziplinen liegt es auf der Hand, dass vor drei bis vier Jahrhunderten entstandenes Kulturgut im besten Sinne des Wortes hier zur Gegenwart wurde.

Das Konzert von Concenti Musicali im Wasserburger Rathaussaal war der Musik des gebürtigen Wasserburgers Abraham Megerle (1607 bis 1680) gewidmet. Ein Ausschnitt aus dem riesigen Schatz an geistlichen Motetten - alle erlebten an diesem Abend ihre Premiere! - füllte gut zwei Stunden, und es will bei solch weit zurückliegendem Musikgut etwas heißen, wenn man lauschen durfte, ohne je zu ermüden.

Weshalb war dieser Abend im Rathaussaal nun so besonders? Das Umfeld des Saales, das Bewusstsein um ein Heimatrecht auf den Komponisten trug einen Teil dazu bei. Doch wesentlich war vor allem: Peter Adler wuchs über sich hinaus, sein Dirigat entfaltete sich frei, und seine Musiker dankten es ihm. Die Stimmen des kleinen Chores schwebten im Raum, dynamische Abstufungen gelangen wie von selbst. Die Takte pulsierten in weiser Differenzierung, der Rhythmus elektrisierte. Fünf Vokalsolisten (Gunhild Lang-Alsvik, Kristine Jaunalksne, Beat Duddeck, Daniel Schreiber, Michael Mantaj) überboten sich im Klang ihrer Stimmen, in instrumentenhaft perlenden Figuren und Koloraturen. Der Instrumentalchor, diesmal ohne Bläser (Johannes Frisch, Michaele Party, Diego Rivera, Christoph Riedo, Caroline Ritchie, Christoph Eglhuber, Ewald Brandstätter), führte und begleitete zugleich. Aufgehoben schienen sich die Sängersolisten zu fühlen im Miteinander der Streicher, des Continuos mit Theorbe und Orgelpositiv, um sich dann ganz ihrem oft schwierigen Part zu widmen.

Welch beglückender Eindruck beim Zuhören: Kein folgsames Ableisten antiker Vorlagen, nein, hier erzählten Sänger und Instrumentalisten freiweg vom Podium herab, wie Musik vor langer Zeit entstand und geklungen haben mag. Langt es, solche Eindrücke zu schildern angesichts der geschichts- und wissenschaftsträchtigen Materie? Dankbar war man als Zuhörer für wertvolle Beiträge im Programm aus der Hand von Peter Adler und Dr. Peter Tenhaef, des Wissenschaftlers an der Seite des Leiters der "Concenti". So durfte man sich mit diesem Wissen zurücklehnen und sich dem widmen, was das Ziel solch akribischer Mühe ist: das Lauschen und das Empfinden.

Der Hauptakteur dieses Abends war jedoch der Komponist Abraham Megerle. Natürlich kam hier im Lande die "Sprache" des Bayern besonders an: Direkt ist sein Zugriff, klar und bündig ohne Abschweifung, wo die italienischen Zeitgenossen wie ein Stefano Bernardi oder Giovanni Rovetta - ins Programm mit eingestreut - eher südländisch zu fabulieren scheinen. Megerles Tonfolgen dienen dem geistlichen Wort - man höre sich sein "Miserere" an, großartig und nie langatmig -, seine Formprinzipien ebenso: Die vielen Passacaglien sind bei ihm zum Inbegriff des Gebetes geworden, zum inständigen Wiederholen von Bitte und Dank. In allem überwog strahlendes Dur, und so spiegelte die Musik dieses Abends das höfisch-geistliche Leben an Megerles Wirkungsstätte Salzburg.

Für Peter Adler und auch für Wasserburg war dies ein denkwürdiger Abend, der neben der Musik auch Greifbares zu Tage förderte: Ein Bote in höfischer Tracht überbrachte die frisch gedruckte Partitur der von Dr. Peter Tenhaef rekonstruierten Fassung der "Psalmodia Jesu et Mariae sacra" des Meisters, um sie an Bürgermeister Michael Kölbl für das Wasserburger Archiv zu übergeben.